Spotlight BNE-Zertifizierung: Archäotechnisches Zentrum (ATZ) Welzow

Mit der BNE-Zertifizierung wollen wir in Brandenburg gemeinsam einen Weg hin zur mehr Qualität in der Bildung für nachhaltige Entwicklung gehen. Das ATZ Welzow, gelegen am Rand des Tagebaus Welzow-Süd, setzt sich in seiner Arbeit intensiv mit der Archäologie und Archäotechnik, insbesondere mit alten Handwerkstechniken, auseinander und verbindet diese mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen. Für Schulklassen, Familien sowie weiteren Gruppen bietet das ATZ Klassenfahrten, Schulprojekte und einzelne Veranstaltungen an, die vor allem praktische Elemente mit einbeziehen und Fähigkeiten fördern. In ihrem zertifizierten Angebot werden über vielfältige Methoden anhand des traditionellen Nahrungsmittels Brot Aspekte der nachhaltigen Entwicklung wie Ressourcennutzung und gesunde Ernährung beleuchtet. Wir haben mit Jasmin Kaiser, Archäologin und Leiterin eines Strukturwandelprojektes am ATZ, über die Angebote des ATZ und über die Zertifizierung gesprochen. Sie hat die BNE-Weiterbildung der Servicestelle besucht und das Bildungsprogramm zum Thema Brot für die BNE-Zertifizierung entwickelt.

Jasmin, das ATZ ist Museum, außerschulischer Bildungs- und Veranstaltungsort und Forschungseinrichtung. Als Lernort verbindet ihr in euren Programmen Archäologie, Geschichte u. Handwerk mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen. Wie bringt ihr in eurer Bildungsarbeit diese spannenden Themen zusammen?

Heute stehen wir vor der großen Herausforderung, dem von Menschen gemachten Klimawandel und den gravierenden Umweltbeeinträchtigungen zu begegnen. Ein wichtiger Aspekt unserer Bildungsarbeit ist es daher, zu zeigen, wie wir unser Leben künftig sehr viel nachhaltiger gestalten können. Als Archäolog*innen betrachten wir die aktuellen Ereignisse aber auch im Kontext der gesamten Menschheitsentwicklung und verbinden in den Bildungsprojekten die BNE-spezifische Zukunftsorientierung mit der historischen Perspektive. Deshalb lautet unser Motto frei nach Hippokrates, der um 460 bis 370 v. Chr. lebte: VERGANGENHEIT erklären – GEGENWART verstehen – ZUKUNFT gestalten. Der Blick in die Menschheitsgeschichte hilft erst einmal zu verstehen, wo die Ursprünge heutiger Probleme liegen und mit welchen Strategien Menschen anderer Epochen auf ähnliche existenzielle Krisen reagierten. Durch die Archäologie können wir zudem viel über nachhaltige Lebensstile erfahren. Besonders seit dem Beginn der Industrialisierung vor 150 Jahren ist viel Wissen verschüttgegangen. Ein Beispiel ist das klimaneutrale Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen. Die Strohballendämmung gilt als besonders nachhaltig und innovativ. In unserer Ausstellung Holz – Mensch – Archäologie zeigen wir, dass bereits die Menschen der Bronzezeit vor 3.000 Jahren in unserer Region auf diese Weise ihre Häuser isolierten. Man muss das Rad also nicht immer wieder neu erfinden. Das Beispiel zeigt auch, dass Archäotechnik – was nichts Anderes bedeutet, als die Erforschung verlorenen Handwerkswissens – in Kombination mit effektiven, modernen Technologien vielleicht einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten könnte.

Welche Bedeutung und Vorzüge hat das erfahrungsbasierte Lernen in eurer Arbeit und wie setzt ihr es methodisch um?

Praktische Module, in denen die Kinder und Jugendlichen etwas ausprobieren oder selbst herstellen, sind die Kernstücke unserer Bildungsprojekte. Das erfahrungsbasierte Lernen verbessert den Lerneffekt deutlich und fördert Aspekte der Gestaltungskompetenz. Eine große Rolle spielt das gemeinsame und selbstständige Planen und Handeln. Besonders handwerkliche Tätigkeiten trainieren die zum Teil schwach ausgeprägten motorischen Fähigkeiten. Für uns als Team ist es immer wieder schön zu sehen, wie die praktische Arbeit das Selbstwertgefühl steigern kann. Viele Schüler*innen sind ganz erstaunt, was sie selbst geschafft haben und manchmal gelingt einem in der Schule leistungsschwächeren Kind ein besonders schönes Werkstück. Wichtig ist für uns, dass die Teilnehmenden etwas mit in ihre Lebenswelt nehmen können. Das kann ein aus Natur- oder Recyclingmaterial gefertigtes Schmuckstück als Geschenk für die Freundin sein, eine Saatkugel für die benachbarte Brache, ein Stück selbst gebackenes Brot, das die Eltern kosten oder ein Rezept zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung, nach dem das Kind selbst ein Abendessen für die Familie kocht.

Wie bezieht ihr die prägende Lage des ATZ in einer ländlichen Kohleregion am Rande eines aktiven Tagebaus in eure Arbeit ein?

„Klima & Energie“ ist ein wichtiges und sehr sensibles Thema unserer Bildungsarbeit. Der Kohleausstieg spaltet die Gemeinschaft in unserer vom demografischen Wandel besonders stark betroffenen Region. Auf der einen Seite ist der Bergbau Teil der kulturellen Identität. Klimaskepsis und die Befürchtung, dass die Region wirtschaftlich abgehängt werden könnte, sind stark verbreitet. Auf der anderen Seite gibt es das Trauma der Umsiedlung. So ist die Angst groß, dass die Energiewende nicht gelingt und mit einer Verlängerung der Kohleförderung weitere Devastierungen einhergehen könnten. Mit Ausflügen in den aktiven Tagebau oder zur Tagebauaussicht können wir den Teilnehmenden der Bildungsprojekte direkt vor Ort sowohl sehr eindrücklich die Ausmaße der Landschaftszerstörung als auch die Chancen der Rekultivierung für die Umwelt, die Menschen und die Wirtschaft zeigen. Derzeit entwickeln wir praxisbezogene Berufsorientierungsprojekte, die Jugendlichen Perspektiven aufzeigen, sich in den entstehenden nachhaltigen Wirtschaftszweigen oder im Bereich der Erneuerbaren Energien zu positionieren.

2023 seid ihr mit dem BNE-Zertifikat ausgezeichnet worden. Was hat euch dazu bewogen, in diesen Prozess zu gehen?

Mit Hilfe eines STARK-Projektes, das aus Bundesmitteln zur Strukturentwicklung gefördert wird, möchte sich das ATZ zukunftsfähig aufstellen. Mit viel Enthusiasmus hat sich unser Projektteam Mitte 2021 in die Aufgabe gestürzt, den Lernort mit Gemüse- und Kräutergarten, Backhaus und mehreren Biotopen attraktiver zu gestalten. Außerdem haben wir begonnen, ein vielfältiges Bildungsangebot zu den aktuellen Themen der Nachhaltigkeit zu entwickeln. Schnell wurde uns klar, dass wir mit BNE auch das passende Bildungskonzept nutzen und unser Haus als Vorbild für die Region nachhaltiger machen wollen. Die Beratung durch die Servicestelle BNE und ihre Weiterbildung „Fünf Plus“ hat uns auf diesem Weg enorm geholfen. Aber ohne die guten personellen und finanziellen Ressourcen und den großen Elan unseres Teams hätten wir unser Ziel nicht in so kurzer Zeit erreichen können. Die Auszeichnung mit dem BNE-Zertifikat ist der größte Meilenstein unseres Projektes und ein Nachweis für die Qualität unserer Arbeit. Hierfür spricht auch die hervorragende Buchung unseres Bildungsangebots.

Welche Erfahrungen und Erkenntnisse gab es und wie werdet/wollt ihr diese in Zukunft weiter bearbeiten?

Die BNE-Zertifizierung ist für uns nicht nur eine Auszeichnung, sondern auch ein Ansporn. Wir haben uns in kurzer Zeit und mit großer Dynamik entwickelt. Jetzt gilt es, den Erfolg zu verstetigen. Das heißt, dass wir BNE in unserem Angebot noch besser verankern und weiter an der Nachhaltigkeit unseres Hauses und der Schülerversorgung aus regionaler Kreislaufwirtschaft arbeiten werden. Mit BNE-Weiterbildungsangeboten für Lehrer*innen, Mitarbeitende von Kommunen und Unternehmen wollen wir künftig neue Zielgruppen gewinnen. Damit können wir auch die Servicestelle BNE unterstützen, BNE in Südbrandenburg weiter zu verankern. Außerdem werden wir unser Angebot an Projekten zur Berufsorientierung erweitern und in die Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE) einsteigen.  

Habt ihr sonstige Tipps für Akteur*innen, die noch ganz am Anfang stehen?

Vor allem möchte ich Euch Mut machen! Die BNE-Weiterbildungen und die BNE-Zertifizierung werden ein großer Gewinn für Eure Bildungsarbeit und Euch persönlich sein. Dabei solltet Ihr aber auch einplanen, dass die Zertifizierung ein längerer Weg ist, für den Ihr zeitliche und finanzielle Ressourcen benötigt.

Vielen Dank für das Interview!

Kontakt: infoatz-welzowde
Website: https://www.atz-welzow.de/

Fotos: Bernd Choritz, ATZ Welzow