Frau Dollinger, Sie setzen sich im Rahmen Ihrer Stiftungsarbeit neben der Förderung von Inklusion, kultureller Bildung und der Pflege von kulturellem Erbe im Besonderen für das Thema Nachhaltigkeit ein. Welchen Stellenwert hat BNE für Ihre Arbeit im Bildungsbereich?
Für uns als DKB STIFTUNG für gesellschaftliches Engagement ist Nachhaltigkeit ein zentrales Thema. Die darin enthaltenen Dimensionen der sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit berücksichtigen wir sowohl in unserer täglichen Arbeit als auch in unseren strategischen Planungen. Daher war es für uns folgerichtig, auch den Bildungsbereich verstärkt nach den Qualitätsmaßstäben von BNE auszurichten. BNE beinhaltet mehr als reine Wissensvermittlung oder Vorführevents. Der Ansatz Kompetenzen zu stärken und die intrinsische Lernfreude von Kindern und auch von Erwachsenen zu fördern, entspricht unserem Verständnis von zukunftsstiftender Bildungsarbeit. Das macht die Angebote anspruchsvoller für uns Durchführende, aber auch nachhaltiger für unsere Gäste.
2022 sind Sie mit dem BNE-Zertifikat ausgezeichnet worden. Was hat Sie dazu bewogen, in diesen Prozess zu gehen und welche Erfahrungen und Erkenntnisse gab es?
Der Zertifizierungsprozess war für uns sehr hilfreich, um unsere Ansätze und Ziele zu reflektieren und zu diskutieren. Denn bevor wir in die Interaktion mit externen Partner*innen gehen, wollten wir uns intern intensiv bündeln und alle Beteiligten mit ins Boot holen. Dieser Prozess hat sich für uns als sehr lohnend herausgestellt. Wir freuen uns im ersten Anlauf zertifiziert worden zu sein und nehmen daraus die schöne Verpflichtung mit, auch mit zukünftigen Angeboten qualitativ an „Vom Schaf zum Pullover“ anzuknüpfen.
Mit Ihrem Stiftungssitz haben Sie einen sehr besonderen Lernort. Wie fließt dies in Ihre Angebote ein?
Die DKB STIFTUNG für gesellschaftliches Engagement bewirtschaftet das Schloss & Gut Liebenberg im Löwenberger Land und hat dort ihren Sitz. Ein wichtiger Teil davon ist die DKB STIFTUNG Liebenberg gGmbH, unser bio-zertifiziertes Landwirtschaftsunternehmen, das als Inklusionsunternehmen geführt wird. Wir betreiben Tierhaltung und bewirtschaften gut 20 Hektar Grünland und unseren eigenen Wald. Dort bejagen wir ein knapp 2.000 Hektar großes Revier. Zu unserem Inklusionsunternehmen gehören auch die Bereiche Handwerk und Versandlogistik. Wir nehmen es als besonderen Auftrag wahr, sinnstiftende Arbeitsplätze für unsere Kolleg*innen mit Behinderungen bereit zu stellen. Dieses Landwirtschaftsunternehmen mit seinen Rindern, Schafen, Hühnern und Ziegen sowie unser Jagd- und Forstbetrieb bildet die Grundlage für eines der vier Wirkungsfelder der Stiftung: Bildung für nachhaltige Entwicklung. Wir führen Projekte auf unserem Betrieb durch und binden unsere Mitarbeiter*innen dabei aktiv ein. So wird Inklusion ganz selbstverständlich jeden Tag erlebbar, für die Teilnehmenden unserer Angebote und für Besucher*innen von Schloss & Gut Liebenberg.
Was ist das Spezielle an Ihrem (zertifizierten) Angebot? Wo sehen Sie die Besonderheiten an der BNE-Arbeit mit Tieren?
Das Angebot „Vom Schaf zum Pullover“ ermöglicht es, mehrere SDGs zu integrieren und vielfältige Themen anzusprechen. Das Schaf als Kernthema kann auf eine globale Ebene gehoben werden, um Themen wie Domestikation/ Haustiere, Subsistenzlandwirtschaft, Zweinutzungsrassen vs. Hochleistungszucht, globale Rohstofferzeugung und Handelsströme, Externalisierung von Produktionskosten, Auswirkungen in so genannten Niedriglohnländern, eigenes Konsumverhalten und Grenzen der Globalisierung zu besprechen. Diese komplexen Zusammenhänge können für jüngere Kinder nachvollziehbar veranschaulicht werden, je nach Alter oder Vorwissen kann die Detailtiefe und Komplexität jedoch nahezu stufenlos angepasst werden. Neben der Wissensvermittlung führt die Kompetenzförderung durch das angebotene Setting in Kombination mit einer durchdachten Methodenwahl zu einem gut funktionierenden Gesamtangebot. Die Interaktion mit den Tieren befördert in besonderem Maße die Empathiefähigkeit und ermöglicht es auch herausfordernden Schulklassen, Ruhe und Konzentration zu finden.
Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen Inklusionsunternehmen und Bildungsarbeit?
Die DKB STIFTUNG Liebenberg gGmbH ist nicht nur eines der größten Inklusionsunternehmen Brandenburgs, sie ist auch ein besonders wichtiger Teil der DKB STIFTUNG. Teilhabe und Inklusion sind hier sprichwörtlich Programm. In unserem Inklusionsunternehmen auf Schloss & Gut Liebenberg zeigen wir, wie Barrieren abgebaut werden können, indem wir inklusive und gleichberechtigte Teilnahme am ersten Arbeitsmarkt ermöglichen. Wir verstehen Inklusion als einen Prozess, Selbstbestimmung und selbstwirksames Handeln unserer Mitarbeiter*innen zu stärken, Teamgeist und Kreativität zu entwickeln, Bedürfnisse und Ungleichheiten wahrzunehmen sowie Benachteiligungen und Barrieren abzubauen und spezielle Maßnahmen der Gesundheitsförderung zu entwickeln. Die Einbindung unserer Kolleg*innen mit Behinderungen wird von uns nicht als besonderer Inhalt eingeplant, sondern findet ganz selbstverständlich statt. Und diese Selbstverständlichkeit von Diversität und Inklusion ist ein grundlegender Baustein unserer BNE-Angebote, ohne Vorführeffekt oder erhobenen Zeigefinger.
Was planen Sie zukünftig, um sich im Bereich Ihrer BNE-Arbeit weiterzuentwickeln?
Wir haben mit dem Angebot „Liebenberger Fuchs – mein kleiner Waldführerschein“ ein mehrtägiges Angebot entwickelt, dass sich im Aktivitätsbereich des Waldes bewegt und viel Raum für selbstständiges Erkunden und gruppendynamisches Lernen lässt. Wir konnten dieses Angebot über eine Fundraisingaktion für mehrere Durchgänge im Jahr 2023 finanzieren und stecken aktuell mitten in den Vorbereitungen.
Haben Sie Tipps für Akteur*innen, die noch ganz am Anfang stehen?
Zu Beginn schien uns der Zertifizierungsprozess sehr anspruchsvoll und zeit- und ressourcenintensiv. Doch die tiefgehende Beschäftigung mit den Angeboten und der eigenen Zielsetzung war mehr als hilfreich und gewinnbringend. Daher möchte ich Interessierte ermutigen, diesen Prozess anzugehen und so die Qualität der Angebote zu sichern. Das hilft allen Akteur*innen und Interessierten.
Vielen Dank für das Interview!
Kontakt:
Julia Dollinger | Leiterin Gutsbereich
DKB STIFTUNG Liebenberg gemeinnützige GmbH
Schloss & Gut Liebenberg
Parkweg 1a
16775 Löwenberger Land OT Liebenberg
Tel.: 033094-700 589
Email: julia.dollinger@schloss-liebenberg.de
Website: https://www.dkb-stiftung.de/wofuer-wir-uns-einsetzen/wirkungsfelder/
Fotos: DKB Stiftung