Die Volkshochschulen beschäftigen sich immer mehr mit Themen der Nachhaltigkeit – wie hat sich das entwickelt und wie ist die Vernetzung untereinander?
Grundsätzlich bemühen sich Volkshochschulen deutschlandweit, aktuelle Themen aufzugreifen und zum Thema von Bildungsveranstaltungen zu machen - und das Thema Nachhaltigkeit ist hochaktuell. Die ehrgeizigen Ziele der Agenda 2030 können nur umgesetzt werden, wenn alle einen persönlichen Beitrag leisten – privat, im Berufsleben, im Familien- und Freundeskreis. Doch niemand kann umsetzen, was er selbst nicht kennt. Hier kommt die Bildung ins Spiel. Viele Leute haben nur eine vage Vorstellung, was sich hinter dem Begriff „Nachhaltigkeit“ alles verbirgt. Oder sie denken, wenn ich Bio-Lebensmittel kaufe, reicht das als Beitrag. Das ist zu kurz gedacht, die 17 Nachhaltigkeitsziele gehen ja viel weiter.
Volkshochschulen als die klassischen Träger der Erwachsenenbildung haben das Ziel, Menschen auch nach dem Abschluss einer üblichen Schul- und Berufsausbildung zu informieren, weiterzubilden und zu schulen. Da liegt es nahe, dass dieser Bildungsauftrag das Thema „Nachhaltigkeit“ beinhaltet. Das betrifft auch Zusammenarbeit der Volkshochschulen untereinander. Unsere Vernetzung funktioniert auf mehreren Ebenen: Die Bundesländer haben jeweils Verbände – bei uns in Brandenburg ist es logischerweise der Brandenburgische Volkshochschulverband – und es gibt bundesweit den Deutschen Volkshochschulverband. Hier werden beispielsweise Schulungen für Dozierende organisiert oder auch der Informationsaustausch untereinander lebendig gehalten. Wunderbar funktioniert die Vernetzung über „VHS-Wissen live“. Ein echtes Online-Tool mit interessanten wissenschaftlichen oder politischen Bildungsangeboten von Leuten mit Expert*innenwissen. Deutschlandweit buchbar übrigens!
Wie wird das Thema aktuell bei der KVHS umgesetzt und wie sollen die SDGs zukünftig stärker im Programm und der Ausrichtung der KVHS aufgenommen werden?
Nachhaltigkeitsthemen haben wir schon lange in unserem Bildungsprogramm. Durch Anregungen einer VHS aus Mecklenburg-Vorpommern auf dem Volkshochschultag kamen wir auf die Idee, diese speziell auszuweisen. So haben wir in diesem Jahr ein Vorhaben gestartet, das uns und unser Angebot zukünftig begleiten soll: Wir wählen jedes Jahr ein Nachhaltigkeitsziel als „Jahresthema“ – in diesem Jahr ist es das SDG 15 „Leben an Land“ – und organisieren dazu gezielt Veranstaltungen, die zu diesem Thema passen. In diesem Jahr haben wir beispielsweise eine Mitmachaktion zur Waldaufforstung, eine Ausbildung zum Pilzcoach, Naturnahes Gärtnern und eine Moorexkursion im Angebot, aber auch z.B. eine Ausstellung zu den größten und ältesten Bäumen Deutschlands, um nur einiges zu nennen. Um unsere Teilnehmenden noch stärker einzubeziehen, haben wir sie aufgerufen, uns ein selbstgemachtes Kunstwerk zum Thema „Leben an Land“ einzureichen, egal ob gezeichnet, modelliert oder fotografiert. Gern kann dies auch in einem unserer Kurse aus dem Kunstbereich geschehen. So sollen nach Möglichkeit alle unsere Programmbereiche einbezogen werden. Nachhaltigkeit soll nicht losgelöst als gesonderter Inhalt, sondern als Bestandteil unseres Lebens begriffen werden. Entsprechend finden sich Kurse nicht nur im klassischen VHS – Angebot, sondern auch an unseren Einrichtungsteilen, z.B. im Grundbildungszentrum.
2023 ist die KVHS mit dem BNE-Zertifikat ausgezeichnet worden. Was war der Hintergrund, sich in diesen Prozess zu begeben und welche Erfahrungen gab es?
Als Bildungsanbieter und nachgeordnete Einrichtung des Landkreises haben wir durchaus unsere Erfahrungen mit Qualitätsmanagement und Zertifizierungen. Wir stellen unsere Arbeit regemäßig auf den Prüfstand, arbeiten kontinuierlich an unserer Entwicklung, setzen Ideen um. So blieb es natürlich nicht aus, dass wir auch im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung unsere Angebote erweitern, aktuelle Themen angehen und Bildungsvorhaben umsetzen.
Als wir von der Möglichkeit erfuhren, dass Bildungseinrichtungen eine BNE-Zertifizierung erhalten können, stand für uns gleich fest: Das möchten wir machen! Einerseits kennen wir durch unsere Erfahrungen den positiven Effekt, wenn man quasi „gezwungen“ ist, seine Arbeit und Angebote im Zertifizierungsprozess zu durchleuchten und sich damit auseinanderzusetzen. Erst in diesem Prozess werden Reserven sichtbar, es werden Ideen entwickelt, das Angebot wird in der Regel vielfältiger. Zum anderen möchten wir unsere Ambitionen und Bemühungen natürlich auch gern nach außen sichtbar machen. Das beste Angebot nützt nichts, wenn die Menschen die Weiterbildungs-möglichkeiten nicht wahrnehmen. Also haben wir unsere Arbeit an der Zertifizierung und natürlich auch die dann erfolgte Verleihung des Zertifikats als Anlass genommen, unser BNE-Angebot bekannt zu machen. Dazu haben wir in unserem Programmheft mehrere Seiten mit Informationen rund um BNE, den 17 SDGs, unseren eigenen Aktivitäten und unserem entsprechenden Angebot verfasst. Zusätzlich haben wir einen Extra-Flyer erstellt, auf dem das Angebot aus den verschiedenen Programmbereichen und Regionalstellen zusammengefasst als Übersicht dargestellt wird. Auch das wollen wir in den nächsten Semestern und Jahren wieder aufgreifen.
Das zertifizierte Angebot „Nachhaltige Landwirtschaft: Agroforstsysteme“ richtet sich an Erwachsene/Landwirt*innen. Was ist bei dieser Zielgruppe zu beachten?
Es ist eine Besonderheit unserer VHS, dass wir eine „Regionalstelle für Bildung im Agrarbereich“ (RBA) haben. Drei von sechs RBA im Land Brandenburg gehören zu Volkshochschulen. In diesen RBA wird klassische Agrarbildung, wie z.B. die Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister, durchgeführt. Aber auch hier ist natürlich Bewegung in den Angeboten. Und in unserem Fall ist durch die Zusammenarbeit mit der Volkshochschule die Möglichkeit da, übergreifende Angebote zu machen. So ist es auch beim Kurs „Agroforstsysteme“ gelaufen. Er war klassisch für Landwirt*innen vorgesehen, aber auch für andere Teilnehmer*innen buchbar – davon haben auch mehrere Nichtfachleute Gebrauch gemacht. Dem Berufsstand der Landwirte wird sehr viel öffentliches Interesse entgegengebracht. Landwirt*innen arbeiten sichtbar für alle auf ihren Feldern, Tierwohl ist in aller Munde, Pflanzenschutz in der Kritik. Bei der Bevölkerung hat die Bauernschaft nicht eben den besten Ruf – und das, obwohl sie die Lebensmittel produziert, die alle täglich benötigen. Nur wenige Konsumenten machen sich Gedanken darüber, mit welchen Anstrengungen und Schwierigkeiten das verbunden ist. Neuerungen wie z.B. die Entscheidung für Agroforstwirtschaft müssen von Landwirt*innen gründlich durchdacht werden, denn es ist in der Regel eine Entscheidung für das ganze (Berufs-)Leben. Und es wird natürlich von Fachleuten ganz anders hinterfragt als vom restlichen Publikum: Kann ich so etwas auf Pachtland überhaupt machen? Wenn ich mein Land nicht zur Lebensmittelproduktion nutze, bekomme ich dann trotzdem eine Förderung? Wie kann das Holz verwertet werden? Welche Vorteile oder Nachteile ergeben sich für meine anderen Kulturen? Auch ein*e Landwirt*in ist – wie jeder andere Betrieb - gezwungen, wirtschaftlich zu denken.
Welche Lernmethoden werden gern genutzt bzw. haben sich als sinnvoll erwiesen?
Pädagogik ist eine sehr dynamische Gesellschaftswissenschaft, die sich ständig weiterentwickelt. Auch die Unterrichtsmethoden unterliegen Veränderungen. Das Beste an der RBA ist, dass die meisten Inhalte sehr anschaulich sind. So bietet es sich an, viel nach draußen zu verlegen – das ergibt eine moderne Unterrichtsgestaltung mit einem Methodenmix. So wird Eintönigkeit verhindert und der Unterricht lebendig gehalten. Besonderes Augenmerk sollte auf selbstständiges, aktives Arbeiten der Teilnehmenden gelegt werden. Generell ist eine Vielfalt von Veranstaltungsarten und -formen sinnvoll. So können verschiedenste Zielgruppen erreicht werden. Und letztendlich ist es genau die Vielfältigkeit und die Aktivität, die den Lern- und Behaltenseffekt steigern.
Was macht Volkshochschulen als Lernorte aus?
Eine Besonderheit von VHS ist es, dass sich hier Menschen mit verschiedensten Hintergründen zum gemeinsamen Lernen treffen. So haben wir durchaus Kursteilnehmende, die sonst eher schlecht den Zugang zu Bildung finden. Leider haben viele Menschen, wenn sie den Begriff Volkshochschule hören, eine etwas angestaubte Vorstellung von Koch- und Häkelkursen. Dabei sind Volkshochschulen wie die Gesellschaft – interessant, vielfältig, bunt. Unsere Fachbereiche decken eigentlich beinahe alles ab, was das Herz begehren kann; von Politik / Gesellschaft / Umwelt über Kunst / Kultur, Gesundheit, Sprachen, IT bis zur beruflichen Bildung ist für jeden Bedarf und Geschmack etwas dabei. Das alles in einem Haus zusammenzubringen – da findet man nicht so viele Anbieter*innen. Und genau das macht es auch aus – wenn ich zu meinem Yoga-Kurs gehe und am ausgehängten Tagesplan sehe, dass im Nachbarraum Spanisch gelernt wird, im Keller mit Keramik gearbeitet wird und in der Etage oben interessierte Senior*innen den Umgang mit dem Smartphone lernen. Außerdem sind Volkshochschulen soziale Begegnungsstätten, die Leute zusammenführen, die ein gemeinsames Interesse teilen. Da ergeben sich interessante Gespräche und manchmal sogar neue Freundschaften. Und um auch mal mit dem Vorurteil über die eingangs erwähnten Kochkurse aufzuräumen – auch die sind nicht mehr wie vor 50 Jahren. Wenn man zum Beispiel „Mexikanisch kochen“ bucht, gemeinsam mit anderen Leuten landestypisches Essen kocht und der Dozent, der aus Mexiko stammt, seine Teilnehmenden mit Geschichten über Land und Leute unterhält, geht man zufrieden nach Hause, hat etwas gelernt und einen schönen Abend gehabt.
Gibt es Tipps für Akteur*innen, die noch ganz am Anfang stehen?
Seid kreativ, entwickelt Ideen. Seid aktiv, setzt sie um. Seid mutig, probiert etwas Neues.
Bleibt am Ball, auch wenn es vielleicht nicht gleich so klappt, wie man es möchte.
Und nehmt den Zertifizierungsprozess in Angriff, es lohnt sich in jedem Fall!
Vielen Dank für das Interview!
Kontakt: info@kvhs-uckermark.de
Website: https://www.kvhs-uckermark.de/
Fotos: Kreisvolkshochschule Uckermark