Spotlight BNE-Zertifizierung: Wildnis- & Survivalschule Walk on the Wildside

Mit der BNE-Zertifizierung wollen wir in Brandenburg gemeinsam einen Weg hin zur mehr Qualität in der Bildung für nachhaltige Entwicklung gehen. Die Wildnis- & Survivalschule „Walk on the Wildside“, die von Tom und Lydia Wawerek gegründet wurde, ist mit ihren Angeboten für unterschiedliche Zielgruppen in der Lausitz aktiv. Zertifiziert wurde sie für das Angebot einer Klassenfahrt auf dem Wildnisplatz am Deulowitzer See. Dort erleben Kinder und Jugendlichen fünf Tage lang die Natur und lernen sich und die Gemeinschaft so ganz neu kennen. Unter einfachen Bedingungen und fernab von Reizen kommen die Teilnehmer*innen zur Ruhe und lernen erlebnisorientiert einen achtsamen Umgang mit begrenzten Ressourcen. Insbesondere das Thema Wasserknappheit, was vor Ort bereits erfahrbar ist, wird dabei in den Fokus genommen. Wir haben mit Tom und Lydia Wawerek über ihre Arbeit und die Zertifizierung gesprochen.

Tom und Lydia, ihr habt beide ganz unterschiedliche Werdegänge und schon verschiedenste berufliche Stationen hinter euch. Was hat euch zur Wildnispädagogik gebracht und worin seht ihr euren Auftrag im Kontext von BNE?

Tom: Nachdem ich die erlebnispädagogische Weiterbildung absolviert hatte, suchte ich nach etwas, wo die Natur nicht nur als Kulisse dient. Das brachte mich zur Wildnispädagogik. Dort konnte ich mein Survivalwissen, meine Abenteuerlust, das spielerische Lernen und meine Begeisterung für die Geheimnisse der Natur vereinen. Lydia habe ich zu dieser Zeit kennengelernt und wieder für die Pflanzenwelt und das Draußensein begeistert. Zusammen möchten wir unseren Teilnehmenden einen ressourcenschonenden Umgang mit der Natur vermitteln. Von der Verwendung von Trinkwasser bis hin zu Trockentrenntoiletten. Das alles ist unmittelbar erlebbar auf unserem Wildnisplatz.

Was macht für euch eine gute Qualität von Bildungsarbeit aus?

Tom: Zeit! Wir brauchen mehr Zeit, um zu entschleunigen und im Hier und Jetzt anzukommen. Damit Bildung tatsächlich tief wirken kann, müssen die Teilnehmenden sich die Antworten selbst erarbeiten. Das gelingt gut, wenn die richtigen, motivierenden Fragen gestellt werden und sie Zeit haben, sich damit selbständig auseinander zu setzen. Bildung muss erlebbar sein und unmittelbar geschehen. Außerdem sollte das Erlernte auch im Alltag umsetzbar sein - Anstöße oder Impulse vermitteln, die zur Lebenswirklichkeit der Menschen passen. Wir machen fast nie Frontalunterricht, sondern arbeiten partizipativ und aktiv und vermitteln Wissen beiläufig.

Ihr führt eure Angebote weitgehend auf eurem Wildnisplatz in der Lausitz durch. Wie lebt ihr dort konkret Nachhaltigkeit (vor) und wie nehmen eure Teilnehmenden dies an?

Lydia: Unser Trinkwasser muss z.B. von einem zentralen Wasserhahn ca.100 Meter entfernt geholt werden. Das transportieren wir in Kanistern und Schubkarren. Hierbei sehen und „tragen“ die Teilnehmenden die Menge Wasser, die wir für das Trinken, Kochen und Abwaschen benötigen. Das Grauwasser wird in Milchkannen aufgefangen und muss mehrmals am Tag in die nahegelegene Kanalisation entsorgt werden. Hier erfahren sie, wieviel Abwasser in wenigen Stunden zusammenkommt. Außerdem nutzen wir Komposttrenntoiletten. Das ist die bestmögliche Lösung für den niedrigen Grundwasserspiegel in der Lausitz, denn sie kommen vollkommen ohne Wasser aus. Die kompostierten Feststoffe können sogar als Düngemittel für Viehfutter verwendet werden. Wir sparen so in sechs Tagen mit 20 Kindern über 2000 Liter Trinkwasser, was sonst durch unsere Toiletten geht. Bereits nach drei Tagen ändert sich das Nutzungsverhalten der Teilnehmenden stark: Sie verbrauchen weniger Wasser beim Händewaschen, Zähneputzen und auch „altes“ Trinkwasser in den Flaschen, wird nicht mehr einfach so weggeschüttet, sondern zum Pflanzengießen verwendet.

In eurer Wildnisschule sind besonders viele Frauen aktiv. Das scheint in diesem Bereich eher eine Besonderheit. Wie seht ihr die Zugangs- und Entwicklungsmöglichkeiten für Frauen?

Lydia: Grundsätzlich haben Frauen die gleichen Zugangsmöglichkeiten wie Männer zur Wildnispädagogik. Der Fokus in unserem Team sind zum einen die Fähigkeiten als Wildnispädagog*in und zum anderen die Fähigkeit, sich aktiv in einer Gemeinschaft einzubringen und darin wachsen zu wollen. Wir erleben, dass Männer immer noch eher allein unterwegs sind, z.B. in der Survival- und Bushcraft-Szene, und Frauen eher daran interessiert sind, in Gruppen zu lernen, sich weiterzubilden und persönlich zu wachsen. Wir finden persönlich die Balance von männlichen und weiblichen Qualitäten in einem Team sehr wichtig, unabhängig davon, von welcher Person sie mitgebracht werden.

2023 seid ihr mit dem BNE-Zertifikat ausgezeichnet worden. Was hat euch dazu bewogen, in diesen Prozess zu gehen und welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

Tom: Wir haben von anderen Wildnisschulen von der Zertifizierung erfahren und auch das Feedback von Schulen und Lehrer*innen bekommen, dass wir ein sehr nachhaltiges Angebot haben und wurden gefragt, warum wir uns nicht zertifizieren lassen. Daraufhin haben wir uns beworben. Für uns als Leitung der Wildnisschule war es großartig, unsere praktische Arbeit, die wir seit sieben Jahren machen, nochmal in die theoretischen Konstrukte zu formulieren. Dabei ist uns die Tiefe und Wirkung unserer Arbeit noch mehr bewusstgeworden. Wir erfahren tatsächlich auch, dass wir nun noch stärker als Bildungseinrichtung wahrgenommen werden.

Wie wird es in Zukunft bei euch weitergehen?

Lydia: Wir möchten in diesem Jahr mehr Aus- und Weiterbildungen anbieten. Die bereits bestehende Wildnispädagogikausbildung wird ergänzt durch die Kräuterpädagogik- und die Survival Guide- Ausbildung. Somit möchten wir Pädagog*innen und andere Menschen die Möglichkeit geben, sich auf ihrem Weg wieder mit der Natur zu verbinden, um sie zu schätzen und zu schützen. Darüber hinaus erfahren die Teilnehmenden immer einen großen persönlichen Entwicklungssprung in den Aus- und Weiterbildungen, da sie ihre Komfortzone erweitern. Genau dies zu begleiten, macht uns am meisten Spaß. Wir suchen aktuell noch nach einem weiteren Platz, der noch tiefer in der Natur und etwas weniger nah an Straßen gelegen ist, so dass wir unsere Kurse, die einen geschützten Raum und wenig Ablenkung brauchen, weiter ausbauen können.

Habt ihr Tipps für Akteur*innen, die noch ganz am Anfang stehen?

Wir würden allen empfehlen, sich wirklich Zeit für den Antrag und die Ausarbeitung des Konzeptes zu nehmen. Die „ZIM-Tabelle“ war eine große Hilfe, sich intensiv damit auseinander zu setzen. Somit haben wir ein solides Fundament für unsere tägliche Arbeit gewonnen. Unser Tipp: Tauscht euch aus mit anderen Akteur*innen. Mit Konkurrenzdenken und übertriebenem Wettbewerb kommen wir gemeinsam nicht weiter. Denn nur zusammen können wir Großes bewirken!

Vielen Dank für das Interview!

Kontakt: kontaktwalk-on-the-wildsidede
Website: https://www.walk-on-the-wildside.de/

Walk on the Wildside auf Instagram.

Fotos: Wildnis- & Survivalschule Walk on the Wildside/ Wawerek GbR